Microsofts Silverlight-Strategie

5. November 2010

Microsoft nutzt seine Professional Developer’s Conference (PDC) regelmäßig dazu, um Entwickler über aktuelle Ausrichtungen seiner Programmier-Tools zu informieren und ihre zukünftige Strategie darzulegen. Die PDC10 sorgte allerdings für reichlich Verwirrung hinsichtlich der strategischen Ausrichtung von Silverlight, was zu wilden Spekulationen führte und an der ein oder anderen Stelle sogar der Tod von Silverlight heraufbeschworen wurde. Auch intern bei SDX schlugen die Wogen hoch und eine heftige Diskussion entbrannte. Es ist an der Zeit, den Mutmaßungen mit klärenden Worten zu begegnen.

Was war passiert?

Eine Verkettung von unglücklichen Umständen und missverständlichen Aussagen führte zu einem Sturm der Spekulationen hinsichtlich der Strategie zu Silverlight am letzten Wochenende nach der PDC10. Alles fing bei der PDC Keynote am Donnerstag an. Steve Ballmer erwähnte Silverlight nur ein einziges Mal: als es darum ging, die Plattform für die Entwicklung von Windows Phone 7 zu benennen. Was er dafür umso öfter betonte, war HTML5: "HTML5 ist the future" lautete seine Aussage und die Nachricht, die bei der Entwicklergemeinde ankam. Doch was war mit Silverlight? Silverlight ordnete er in keinen Kontext zu HTML5 ein, was der erste große Fehler war und das erste Stirnrunzeln verursachte.

Den eigentlichen Sturm der Mutmaßungen entfesselte allerdings Bob Muglia, Leiter der Abteilung "Server und Tools", durch ein Interview mit Mary-Jo Foley, betitelt mit: Microsoft: Our strategy with Silverlight has shifted. Allein die Kopfzeile lässt den Atem stocken und genau diese eine Aussage stellt den zweiten und entscheidenden Fehler dar. Zitat von Mary-Jo Foley: "But when it comes to touting Silverlight as Microsoft’s vehicle for delivering a cross-platform runtime, ‘our strategy has shifted,’ Muglia told me".

Vom lauen Lüftchen zum Hurrikan

Weder Steve Ballmer noch Bob Muglia schafften es zur PDC, Microsofts Silverlight-Strategie zu klären und sorgten mit ihren Aussagen für Verwirrung und für teils wilde Spekulationen. Dabei wäre es so einfach gewesen: Wo sollten Sie Silverlight einsetzen und wo HTML5? Die Beantwortung dieser Frage hätte genügt, um den Entwicklern Sicherheit zu geben. Stattdessen war die PDC vorbei und ein Wochenende begann, an dem Entwickler als auch "Microsoft-Beobachter" genug Zeit hatten, sich ihren eigenen Reim der Dinge zu machen.

Bei Twitter, in Foren und in Blogs drückten Entwickler ihre Entrüstung zu den missverständlichen Aussagen von Microsoft aus. Und das aus gutem Grund! Microsoft hat Silverlight immer wieder als die Plattform für geräteübergreifende Entwicklung interaktiver Applikationen dargestellt und sowohl Microsoft als auch Entwickler haben bereits unglaublich viel in Silverlight investiert. Schnell griffen diverse Newsseiten das Thema auf und sorgten für noch mehr Unruhe, z.B. Golem mit seinem Beitrag HTML5 statt Silverlight. Die Spekulationen übertrafen sich geradezu, Fehlinterpretationen wurden zu Fakten umgemünzt und immer stärker wurde vor allem von Microsoft-Kritikern das Versagen und der Tod von Silverlight heraufbeschworen.

HALT!

Montag war es dann, als Microsoft endlich seine Strategie und die Abgrenzung von Silverlight und HTML5 klarstellte und die Wogen zu glätten versuchte. Abermals war es Bob Muglia, der sich am 1.11. in einem Beitrag auf dem Silverlight Team Blog äußerte: PDC and Silverlight. In diesem Beitrag räumt er zunächst indirekt Fehler in Bezug auf sein Interview ein: "I understand that what I said surprised people and caused controversy and confusion".

Anschließend rückt er Silverlight ins rechte Licht:

  1. Silverlight is very important and strategic to Microsoft.
  2. We’re working hard on the next release of Silverlight, and it will continue to be cross-browser and cross-platform, and run on Windows and Mac.
  3. Silverlight is a core application development platform for Windows, and it’s the development platform for Windows Phone.

icon_silverlightWeiterhin geht er darauf ein, wie sich die Industrie und die Geräte verändert haben, auf denen Anwendungen lauffähig sein müssen und wie Microsoft darauf reagieren will. Und um eine möglichst große Bandbreite an Geräten abzudecken, will Microsoft in Zukunft eben auch auf HTML5 setzen, was aber in keinster Weise bedeutet, dass Silverlight als strategische Entwicklungsplattform fallen gelassen wird.

Die Silverlight-Strategie

Bob Muglia trifft Aussagen, die wir in unserer internen Diskussion bei SDX bereits erkannt haben: De facto hat sich Microsofts Silverlight-Strategie nicht geändert! Silverlight war nie dafür gedacht, HTML im Web zu ersetzen oder abzulösen. Vielmehr war und ist Silverlight die Plattform der Wahl in vielfältigen Szenarien und das spiegelt sich auch ganz klar in den Aussagen von Bob Muglia wider:

  1. Silverlight ist erste Wahl für interaktive Business-Applikationen (Line of Business) in Intranet-Szenarien (innerhalb und außerhalb des Browsers) mit Unterstützung verschiedener Systeme und Browser.
  2. Silverlight ist zentrale Entwicklungsplattform für Windows Phone 7.
  3. Silverlight ist erste Wahl für multimediale Anwendungen.
  4. Silverlight ist erste Wahl für Applikationen, für welche die Features von HTML ungenügend sind.

HTML5 ist da einzuordnen, wo auch HTML4 derzeit steht: als zentrale Technologie für die Bereitstellung von Anwendungen im Internet, die über eine massiv wachsende Anzahl an Geräten ansprechbar sein sollen. Natürlich geht HTML5 mit Features wie Video-Einbettung und dem Canvas-Element über HTML4 hinaus und bietet Funktionalität, die bisher mit Flash und ursprünglich eben auch mit Silverlight abgedeckt wurden. Doch Silverlight hat sich schon längst vom Flash-Konkurrenten zu einer reichhaltigen Plattform für Business-Szenarien gemausert, deren Features auch ein HTML5 längst nicht abdecken kann.

Als SDX haben wir diese Aussagen bereits in der Vergangenheit immer wieder getroffen und sowohl Silverlight als auch HTML/ASP.NET in der Entwicklung bei unseren Kunden entsprechend eingeordnet.

Fazit

Was kann man aus der aktuellen Diskussion mitnehmen? Unseren Kunden können wir als SDX sagen: es ändert sich nichts! Silverlight ist weiterhin die Plattform der Wahl für interaktive Business-Applikationen im Intranet und in vielen anderen Szenarien. Und die Vorteile sind unbestritten: Entwickler erhalten durch Silverlight eine durchgängige Technologie auf Basis von C# und können die bekannten Tools (Visual Studio, Blend, …) verwenden, mit denen sie hochwertige Silverlight-Anwendungen entwickeln können. Statt HTML, CSS und Javascript zu lernen (das wird sich auch mit HTML5 nicht ändern) können sie ihr bestehendes .NET-Wissen bei der Entwicklung von Silverlight-Anwendungen verwenden.

HTML5 wird die Zukunft im Web sein. Das ist aber nichts Neues und hat nur geringen Einfluss auf die Einsatzgebiete von Silverlight. HTML4 ist der aktuelle Web-Standard. HTML5 wird der nächste Standard werden. Doch für HTML5 ist es noch (zu) früh. Microsoft hat auf der PDC keine Entwicklertools für HTML5 vorgestellt und selbst das W3C kann derzeit noch nicht den Einsatz von HTML5 empfehlen. Microsoft hat HTML5 auf der PDC als Instrument verwendet, um Werbung für seinen kommenden Browser IE9 zu machen, mehr nicht. Daher sehen auch wir als SDX ein großes Potential in HTML5, doch wenig Einfluss auf die Einsatzgebiete und die Strategie von Silverlight.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Kommunikation zum Thema der Strategie bzgl. HTML5 und Silverlight seitens Microsoft sehr unglücklich verlaufen ist und zu einem vermeidbaren Fegefeuer geführt hat. Microsoft hat damit viele Entwickler und Firmen verunsichert, die bereits einen großen Invest in Silverlight getätigt haben. Der dadurch angerichtete Schaden ist enorm und es zeigt, wie flächenbrandartig sich Informationen und Spekulationen in der heutigen vernetzten Welt verbreiten und hochgespielt werden. Entwickler hatten vor der PDC eine gewisse Erwartungshaltung bzgl. Silverlight, einige erwarteten bereits die Ankündigung von Silverlight 5 und wurden dann enttäuscht. Hätte Microsoft frühzeitig reagiert, hätte viel Schaden vermieden werden können. Nun ist es die Aufgabe von Microsoft, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Am besten können sie das dadurch tun, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen.