Kommentar: Windows Phone 7 – eine Prognose

4. Februar 2011

Angesichts der von den Marktforschern der NPD Group ermittelten Verkaufszahlen für das 4. Quartal 2010 kann man davon ausgehen, dass Windows Phone 7 in den USA bisher kein durchschlagender Erfolg beschieden ist. Wenn man mit einem von den Kritikern überwiegend wohlwollend aufgenommenem Produkt und einem Werbe-Budget von bis zu 500 Millionen US-Dollar in 3 Monaten in etwa so viele Geräte verkauft, wie innerhalb des gleichen Zeitraums Android-Smartphones in einer Woche über die Ladentheke gegangen sind, lässt sich das kaum schönreden.

Windows Phone 7

Microsoft ist es trotz des Smartphone- und Mitmach-Web-Hypes mit einem vermeintlich “hippen” und Social-Network-affinen Smartphone-Betriebssystem nicht gelungen, seinen bisherigen Marktanteil in den USA zu halten, sondern muss gegenüber dem 3. Quartal 2010 sogar eine leichte Verschlechterung hinnehmen. Für den deutschen Raum liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Zahlen vor, auch wenn es Hinweise von unseren Kunden gibt, dass der Start hierzulande besser verlaufen ist. Man muss jedoch kein Hellseher sein, um sich auszumalen, dass die für den US-Markt ermittelten Smartphone-Marktanteile von 2% für Windows Phone 7 und 4% für Windows Phone Classic den Produktverantwortlichen in Redmond richtig wehgetan haben.

Dort hatte man allerdings schon vor der Veröffentlichung von Windows Phone 7 verkündet, einen langen Atem zu haben. In Gesprächen unter den SDX-eXperts wurde Windows Phone 7 schon mit der X-Box verglichen, die nach einem schwachen Start auch noch zu einer der populärsten Spiele-Konsolen geworden ist. Der Vergleich hinkt aus meiner Sicht aber, weil die X-Box stark davon profitiert hat, dass Microsoft mit DirectX auf der Desktop-PC-Plattform (damals noch wichtiger als heute) fast schon eine Monopolstellung erreicht hatte. Windows Phone 7 kann dagegen höchstens von der anhaltend hohen Popularität von Windows 7 profitieren, mit dem es aber nicht viel gemein hat. Dass es ausgerechnet von Zune Auftrieb erhalten wird, dürften wohl selbst die größten Optimisten nicht ernsthaft erwarten.

Trotzdem denke ich, dass sich Windows Phone 7 auf lange Sicht im Smartphone-Markt behaupten wird und zwar aus folgenden Gründen:

  1. Ich traue Microsoft zu, die fehlenden Features sukzessive nachzurüsten. Es bleibt aber abzuwarten, was die Konkurrenz an Innovationen liefert. Noch in diesem Frühjahr werden die ersten Android-Smartphones mit Mehrkernprozessoren verfügbar sein. Aufgrund des Linux-Fundaments hat Android gute Voraussetzungen dafür, dieses Potential ohne größere Eingriffe in das Betriebssystem auszuschöpfen. Des Weiteren werden noch größere Displays mit noch feineren Auflösungen kommen. Nachdem es zwischenzeitlich den Anschein hatte, als würden die Tablet-PCs den Smartphones den Rang ablaufen, werden sich beide Geräteklassen inzwischen immer ähnlicher.
  2. Windows Phone 7 profitiert in vielerlei Hinsicht vom Siegeszug von Android. Bei den Smartphone-Herstellern regen sich bereits erste Bedenken, dass Android zu dominant wird, die angesichts der jüngsten Zahlen (Android bei 53% Markanteil) sicher nicht kleiner werden dürften. Der Markt ist meiner Meinung nach reif für ein weiteres android- und iOS-artiges Betriebssystem, das nicht so verstaubt wie Symbian daher kommt oder so sehr auf eine bestimmte Klientel zugeschnitten ist wie Blackberry OS. Weiterhin läuft Windows Phone 7 auf der gleichen Hardware wie Android, die inzwischen in fast allen Belangen auf Augenhöhe mit der von Apple ist – und in manchem sogar überlegen. Die erste und die zweite Generation von Android-Geräten hatten in dieser Hinsicht eine schlechtere Ausgangsposition.
  3. Android ist keineswegs perfekt, sondern hat mit einer ganzen Reihe von Problemen zu kämpfen, wie etwa der verzögerten Bereitstellung von Updates durch die einzelnen Hersteller und Carrier sowie den unübersichtlichen Zukunftsaussichten von Java. Außerdem könnte Google, sobald Chrome OS auf dem Markt ist, in einen Interessenkonflikt geraten. Anderseits ist Windows 8 mit der angekündigten Unterstützung für ARM-Prozessoren durchaus als Bedrohung für Windows Phone 7 anzusehen, falls dieses sich in 2 Jahren nicht besser im Markt etabliert haben sollte.
  4. Microsoft hat in dem für uns in erster Linie relevanten deutschen Markt das Image, “der größte Anbieter für Enterprise-Lösungen” zu sein. Die meisten Google-Produkte werden hierzulande dagegen klar dem Consumer-Bereich zugerechnet. Anders als in den USA, wo Google nach Apple eine der beliebtesten IT-Marken ist, hat sich Google in Deutschland durch seine unbeholfene Datensammelwut erst kürzlich die geballte Wut der deutschen Presselandschaft und vieler Endverbraucher zugezogen.
  5. Aus meiner Sicht kann man Microsoft Deutschland nur dazu raten, sich möglichst schnell von der “Life Maximizer”-Marketing-Luftnummer zu verabschieden und sich stärker als bisher auf Enterprise-Anwender zu konzentrieren. Ich vermute, dass Microsoft momentan nur deswegen noch an dem lebenden Toten namens Windows Phone Classic festhält, um die vorhandenen Business-Kunden nicht allzu heftig vor den Kopf zu stoßen. Falls ich damit richtig liegen sollte, könnte Windows Phone 7 sein Profil in naher Zukunft deutlich schärfen. Eine noch stärkere Orientierung in Richtung der X-Box könnte dagegen ein unseriöseres Image schaffen, das eher schaden als helfen würde.

Alles in allem denke ich, dass Windows Phone 7 in einem Jahr einen Marktanteil von 10-15% im deutschen Smartphone-Markt erreichen kann – wenn Microsoft keine groben Fehler unterlaufen. Das wäre sicher genug, um es für uns als SDX und viele unserer Kunden dauerhaft interessant zu machen.