Windows 8: Erste Eindrücke

16. November 2011

Viel war spekuliert worden, als Microsoft im Juni 2011 auf der Computex-Konferenz einen ersten Blick auf das neue Windows 8 gewährt hat. Programmiert jetzt alle Welt nur noch HTML5 / JavaScript? Ist Silverlight (schon wieder) tot? Und werden Geräte mit Windows 8 mit Android- und iOS-Devices konkurrieren können?

Auf der BUILD-Konferenz im September beantwortete Microsoft einige dieser Fragen, andere blieben offen. Zeit, sich die Vorabversion von Windows 8 anzuschauen und hier anhand einiger Blogbeiträge etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Erster Eindruck

Zum Kennenlernen von Windows 8 hat mir die SDX ein Dell Inspiron Duo bereitgestellt. Dabei handelt es sich um einen Convertible, der sowohl als Netbook als auch (durch Herumklappen des Bildschirms) als Tablet verwendet werden kann. Gerade dass es auch als klassisches Netbook verwendet werden kann und dabei von den Leistungsmerkmalen (Dual Core, 2 GB RAM) trotzdem zufriedenstellend ist, war mir wichtig – schließlich sollten auch erste Apps mit Visual Studio darauf entwickelt werden können. Der Preis für das Inspiron Duo liegt aktuell bei günstigen 399€.

Dell_Inspiron_Duo

Die von Microsoft veröffentlichte Developer Preview von Windows 8 ist eine erste Vorabversion, die kostenlos heruntergeladen und installiert werden kann. Wichtig ist dabei wirklich das Attribut “Preview”, das leider zu oft in den aktuellen Diskussionen übersehen wird. Windows 8 ist damit noch nicht einmal in einer Beta-Phase, viele Features fehlen noch, sehr viele Dinge werden sich noch ändern. Ziel von Microsoft mit der Preview ist es, vorrangig Entwicklern einen ersten Eindruck des neuen Systems zu vermitteln und sie erste Erfahrungen mit dem Programmiermodell von Windows 8 sammeln zu lassen.

Die Preview von Windows 8 ist schnell und unkompliziert installiert. Schon bei der Installation und beim ersten Start zeigen sich dabei große Unterschiede zu altbekannten Windows-Systemen. Nicht mehr der Desktop steht jetzt im Vordergrund, sondern ein Startscreen, der eine Art Kachel-Ansicht (Tiles) darstellt, die in einer anderen Form bereits von Windows Phone bekannt sind. Tiles sind nicht nur Icons, um Programme zu starten. Sie können auch Informationen einer App darstellen, selbst wenn diese nicht läuft. Beispiele hierfür sind ein Aktien-Ticker oder Wetter-Informationen, die direkt auf dem Tile angezeigt werden.

Auf dem neuen Startscreen und auch an vielen anderen Stellen wird die neue Metro-UI von Microsoft sichtbar, die ebenfalls von Windows Phone entlehnt ist. Metro-Anwendungen werden ausschließlich über den Startscreen gestartet, sie laufen Vollbild und sind primär per Touch bedienbar. Das Konzept wirkt stimmig, die als Beispiele gelieferten Metro-Apps laufen schnell, flüssig und sind auf dem Testgerät per Touch hervorragend zu bedienen.

Win8_Metro_Startscreen

Zwei in einem

Naturgemäß fehlen noch die Apps, um wirklichen Sinn aus Windows 8 auf einem Tablet machen zu können. Es kann aber schon jetzt gesagt werden, dass die neue Metro-UI optimal für Tablets ist und iOS/Android einige Dinge Voraus hat.

Doch Microsoft würde kein Windows liefern, ohne auch an die “klassischen” Windows-Benutzer zu denken. Und so bringt Windows 8 neben der neuen Metro-UI auch noch den klassischen Desktop mit, der aber mehr oder weniger wie eine normale App über den neuen Startscreen gestartet wird. Der Desktop kommt dabei mit einigen Verbesserungen daher: neuer Task Manager, neuer Kopierdialog für Dateien, Ribbons im Explorer, Fähigkeit zum Mounten von virtuellen Images etc.. Am Auffallendsten ist der neue “Start”-Button, der zurück zum Startscreen führt. Es gibt viele kontroverse Diskussionen über diese Funktionalität. Fakt ist: der neue Startscreen ist als Launcher für klassische Desktop-Programme und Metro-Apps und als Ablösung des alten Startmenüs zu sehen und Microsoft hat gute Gründe dafür. Es bedarf allerdings einiger Zeit, sich an diese Funktionalität zu gewöhnen und selbst dann hat auch das alte Startmenü mit seiner flexiblen Gestaltung viel Charme. Doch Microsoft hat bereits auf Kritik reagiert und einige Unzulänglichkeiten des neuen Startscreens ausgemerzt.

Win8_Desktop

Touch oder Maus?

In der Developer Preview wird ein Punkt offensichtlich: die 2 Welten Metro-UI und klassischer Desktop bedingen aktuell auch 2 Bedienkonzepte. Die Metro-UI ist wunderbar per Touchscreen zu bedienen, alles läuft flüssig und es macht Spaß, sich durch die Apps zu bewegen. Ein tolles System für Tablet-Devices! Doch per Maus ist es aktuell noch nicht wirklich gut bedienbar. “Touch-first” bedeutet zwar, dass sich die Metro-UI auch per Tastatur/Maus bedienen lässt, doch momentan macht es damit einfach keinen Spaß, zu eingeschränkt ist die Nutzerfreundlichkeit. Doch es heißt abwarten: Microsoft hat klar gesagt, dass die aktuelle Preview-Version primär auf Touch optimiert ist, die Bedienung per Maus wird noch in den Fokus rücken und entsprechend wird die Metro-UI angepasst werden. Man darf gespannt sein.

Auf der anderen Seite ist der klassische Desktop kaum/nicht per Touch zu bedienen. Das wurde bereits bei Windows 7 klar, das nicht für Touch geeignet ist und war ein Grund, warum Microsoft den radikalen Schritt der Metro-UI bei Windows 8 gegangen ist. Kleine Buttons zu treffen und Menüs zu öffnen macht mit dem Finger keinen Spaß, daran wird sich nichts ändern. Dafür ist der klassische Desktop allerdings für die Bedienung mit der Maus optimal geeignet.

Blick in die Glaskugel

Microsoft treibt mit Windows 8 ein recht riskantes Spiel. Sie versuchen als erster Anbieter den Spagat, ein Betriebssystem zu liefern, das sowohl für den klassischen Desktop-Benutzer und damit Geräte wie Notebooks, Netbooks und Desktop-PCs geeignet ist als auch für Tablets, die aktuellen Tablet Devices mit iOS (iPad) und Android in nichts nachstehen. Auf der einen Seite dürfen sie dabei Nutzer ohne Touchscreen und Business-Anwender nicht verschrecken, auf der anderen Seite muss das System per Touch flüssig und einfach bedienen lassen.

Mein Dell Inspiron Duo ist ein Convertible und damit optimal geeignet, um sowohl mit dem klassischen Desktop als auch mit dem Metro UI interagieren zu können. Mir erscheint das aktuell als perfekte Form, um das Beste aus beiden Welten herausholen zu können. Und solange noch keine/wenige Metro-Apps verfügbar sind, macht es auch keinen Sinn, ein “reines” Windows-8-Tablet ohne Maus/Tastatur zu benutzen. Convertibles sind damit augenscheinlich die beste Möglichkeit, professionelle Nutzer von Windows 8 zu überzeugen. Sie können damit alle ihrer altbekannten Desktop-Applikationen verwenden, zudem kommen sie in den Genuss der neuen Metro-Apps, die sie per Touch bedienen können. Doch die Zeiten werden sich ändern. Gerade für Couch-Surfer und Consumer wird der klassische Desktop immer mehr an Bedeutung verlieren und mit steigender Anzahl an Metro-Apps werden Tablets interessant, die wie ein iPad leicht, leistungsfähig, lange lauffähig und stylisch daherkommen. Windows 8 bietet dafür die besten Voraussetzungen.

Erstes Fazit

Auch wenn es sich noch um eine Preview-Version handelt, kann ich sagen: Windows 8 macht Spaß, gerade wenn man ein Convertible besitzt. Das System ist flüssig, ressourcenschonend, fährt schnell hoch und lässt sich angenehm bedienen. Wird Windows 8 gegen iOS/Android ankommen können? Mit Sicherheit! iPad und Android haben zwar bereits einen Vorsprung im Tablet-Markt, den viele als groß bezeichnen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass der Marktanteil von iOS und Android als Betriebssysteme bei gerade einmal 3,38% (iOS) bzw. 1,3% (Android) liegt, der von Windows (XP+Vista+7) liegt bei 77,69% (laut Statistik, 08/2011). Windows 8 hat damit schon aufgrund der Windows-Benutzerbasis ein großes Potenzial, mit hoher Durchschlagskraft den Tablet-Markt aufzumischen.

Einen Vorteil hat Apple mit iOS jedoch zumindest gegenüber Windows 8: für das iPhone entwickelte Apps sind i.d.R. auch auf dem iPad lauffähig, was in einer großen Anzahl hochwertiger Apps für die iOS-Plattform resultiert. Anwendungen für Windows Phone werden aller Voraussicht nach nicht auf Windows 8 lauffähig sein, da sich das grundlegende Programmiermodell stark unterscheidet (dazu mehr in einem kommenden Blogbeitrag). Ich bin gespannt, ob/wann Microsoft die Programmiermodelle von Windows Phone und Windows (Metro-UI) angleichen wird. Auf der anderen Seite hat Microsoft aber auch einen Vorteil gegenüber Apple/iOS: die riesige Anzahl bestehender klassischer Windows-Anwendungen wird auch unter Windows 8 lauffähig sein, eine Trennung zwischen Desktop- und Tablet-Betriebssystem (vgl. Mac OS und iOS bei Apple) gibt es nicht. Ob das wirklich ein Vorteil ist oder der Spagat misslingt, wird sich noch zeigen.

Als Fazit ist festzuhalten, dass Microsoft mit Windows 8 ein System mit viel Potenzial entwickelt, welches nur noch ausgespielt werden muss. Nach der Developer Preview wird als nächstes wohl eine Beta-Version erscheinen, mit der finalen Version von Windows 8 ist im Herbst 2012 zu rechnen. Schlussendlich hängt der Erfolg davon ab, ob es Microsoft mit Windows 8 gelingt, die Nutzer von dem Hybrid-Ansatz Desktop/Metro-UI zu überzeugen. Gerade im Businessbereich könnte das schwierig werden, doch zur Business-Story von Windows 8 hat Microsoft bisher noch kaum etwas verlauten lassen, daher heißt es abwarten. Im Consumerbereich werden sich vor allem Benutzer mit Touchscreen auf Windows 8 freuen, bei Tablets wird es hier von der Hardware abhängig sein, ob man sich für iPad/Android-Tablet oder Win8-Tablet entscheidet. Die Vorfreude auf die ersten Windows-8-Geräte ist bei mir zumindest sehr groß.